Der Teufel steckt im Detail:
Erfahrungen und Gestaltungsaspekte aus Virtuellen
Konferenzen in Politik und politischer Bildung
Dieser Beitrag behandelt das Experiment zweier virtueller Konferenzen, teilt die Erfahrungen mit dieser relativ neuen Veranstaltungsform und gibt einen Ausblick auf weitere Entwicklungen, die zur Zeit umgesetzt und in 2001 angewendet werden.
Welchen Sinn macht eine virtuelle Konferenz? Virtuelle Konferenzen bezeichnen die unterschiedlichsten Veranstaltungsformen. Neben der Videoübertragung eines Vortrags einer externen Expertin oder Experten benennen sie auch Videositzungen zwischen mehreren Beteiligten in kooperativen, dezentralen Arbeitsstrukturen, Chatevents oder asynchrone, zeitlich befristete Veranstaltungen, die der gemeinsamen Diskussion örtlich verteilter Personen dienen. Auf die letztgenannte Veranstaltungsform konzentriert sich dieser Beitrag, wobei durchaus auch Chats oder Videoübertragungen darin ihren Platz finden können. Der Vorteil einer solchen Veranstaltung liegt auf der Hand: Personen aus den verschiedensten Teilen des Landes oder gar der Welt können an einer solchen Konferenz teilnehmen ohne ihren Arbeitsplatz oder ihren Computer zu hause zu verlassen. Auch wenn das Treffen und die informellen Kontakte auf realen Konferenzen wichtig sind, so steht den meisten doch nur eine begrenzte Anzahl an Tagen und ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung, Tagungen zu besuchen. [Bremer, 1999] Für eine virtuellen Konferenz können auch die Teilnehmenden gewonnen werden, die zu einer realen Veranstaltung zu diesem Thema nicht angereist wären. Zudem erlauben virtuelle Foren, Themen über eine längere Zeitspanne zu verfolgen und zu bearbeiten. Damit könnte man virtuelle Konferenzen auch in einer Zwischenform zwischen kooperativen Arbeiten und Lernen und Tagungen mit Arbeitsgruppen ansiedeln. Eine weiterer Vorteil entspringt einer Eigenschaft der netzbasierten, asynchronen Kommunikation: die Anzahl der Teilnehmerbeiträge ist nicht auf eine bestimmte Anzahl durch die Dauer einer Sitzung oder einer Diskussionsrunde begrenzt. Es ist mehreren Personen gleichzeitig möglich, Beiträge zu liefern und zudem können diese in einem selbstbestimmten Tempo und Zeitpunkt verfaßt werden [Hesse/Giovis, 1997]. Die Erfahrungen mit den beiden später skizzierten virtuellen Konferenzen hat gezeigt, daß diese beiden Argumente meist zutreffen: während viele Teilnehmenden sich für die Teilnahme an einer virtuellen Konferenz entschieden, zu deren Thema sind nicht unbedingt eine reale Tagung besucht hätten, war es für sie auch entscheidend, sich von ihrem Arbeitsplatz oder zu Hause aus in die virtuelle Tagung einbringen zu können [Bremer, 1999]. Andrerseits traf das Argument der möglichen Gleichzeitigkeit vieler Beiträge nur bedingt zu: auch wenn es technisch möglich war, unbegrenzt viele Teilnehmerbeiträge in ein asynchrones Forum aufzunehmen, so entstand bei den Teilnehmenden doch schnell eine Überforderung, täglich viele neue Beiträge zu lesen, auf vorhandene einzugehen und dabei den Überblick zu behalten. Dies traf in besonderem Maße zu, wenn die Teilnehmenden aufgrund ihrer täglichen Arbeit und anderer Verpflichtungen einige Tage nicht dazu kamen, Beiträge zu lesen und die Diskussion zu verfolgen. Beim erneuten Aufsuchen der Foren waren sie oft überfordert, den aktuellen Diskussionstand zu erkennen und sich auf einige wenige Schwerpunkte oder Diskussionsstränge zu konzentrieren. Dies und weitere Aspekte stellen eine große Herausforderung an die Veranstalter virtueller Konferenzen dar!
Die Herausforderung Wie oben angedeutet wird unter "Virtueller Konferenz" hier eine Veranstaltungsform betrachtet, die auf der Basis asynchroner Diskussionsforen umgesetzt wird und neben Einleitungsreferaten vor allem die Diskussion unter den Beteiligten in den Mittelpunkt des Geschehens rückt. Sie lehnt sich damit einerseits an den Ablauf traditioneller Konferenzen an. Gleichzeitig verlangt sie eine viel größere Teilnehmerbeteiligung, da die Referate von Expertinnen und Experten nur als Einstieg in die Diskussion dienen und das Hauptgeschehen die Diskussion zwischen den Beteiligten in den Foren ist. Damit stellt sich zum einen die Frage, wie diese Diskussion in Gang zu setzen ist, wie also die Teilnehmenden motiviert und aktiviert werden, sich zu beteiligen und zum anderen, wie Kommunikationsregeln entwickelt, vorgegeben und gewahrt werden sowie wie die Diskussion am Laufen gehalten und zu Ende gebracht wird. Diese Fragen haben das Team der veranstaltenden Personen vorrangig beschäftigt und stellen auch die zentralen Aspekte in der Weiterentwicklung von der ersten zur zweiten und zu zwei weiteren geplanten, virtuellen Konferenzen dar. Die Umsetzung der technischen Plattform stellt das weitaus geringere Problem dar und folgt primär den Vorgaben, die durch die oben angeschnittenen Fragen aufgeworfen werden. Als vorrangige Einflußgrößen dieser Fragen wurden folgende Faktoren identifiziert:
Zusammenfassend lassen sich folgende Gestaltungsfragen für virtuelle Konferenzen auflisten, die später exemplarisch anhand der beiden Beispiele erläutert werden:
Die beiden Beispiele: www.bildung2001.de und www.edupolis.de Die beiden hier vorgestellten Beispiele fanden thematisch im Bereich von Politik und politischen Bildung statt. 1998 veranstaltete die Heinrich Böll Stiftung zusammen mit zwei ihrer Landesstiftungen, Hessen und Thüringen, die Virtuelle Konferenz "Lernen und Bildung in der Wissensgesellschaft". Von den fast 300 angemeldeten Personen beteiligten sich 40 aktiv in einem der beiden Foren, während andere nur lasen oder gar nicht an der Konferenz teilnahmen. An mehreren Tagen der 2 Wochen lang dauernden virtuellen Veranstaltung wurden Chats mit ExpertInnen und Personen aus dem Veranstaltungsteam angeboten, die jeweils 10 - 40 Teilnehmende verfolgten. Im Februar 2000 veranstaltete die Hessische Stiftung für Demokratie und Ökologie, Landesstiftung der Heinrich Böll Stiftung (HGDÖ) gemeinsam mit dem DGB Bildungswerk Hattingen und dem Forschungsinstitut für Arbeiterbildung (FIAB) aufbauend auf den Erfahrungen der ersten Konferenz eine weitere virtuelle Tagung, in welcher Verbesserungsideen aus der ersten aufgegriffen und umgesetzt wurden. Diese Tagung widmete sich dem Thema "Internet und politische Bildung". Auch hier wurden wieder mehrere Foren eingerichtet, in denen Einleitungsreferate als Einstieg und Auftakt dienten. Im Vergleich zur ersten Konferenz wurden jetzt die Foren intensiver moderiert, d.h. mehr Beiträge von den ModeratorInnen verfaßt, die Einleitungstexte der ExpertInnen gekürzt und zusätzliche Anwendungen wie z.B. "Meinungsbretter" für kurze Umfragen (auch Blitzlichter genannt) und Kurzprofile aller Teilnehmenden aufgenommen. Einer der wesentlichen Unterschiede war die mit der Anmeldung verbundene Teilnahmegebühr von DM 50,00 für Erwerbstätige (Arbeitslose, SchülerInnen, Auszubildenden und Studierenden sowie RentnerInnen konnten kostenlos teilnehmen) und der Zugang zu den Foren über ein Paßwort. Zudem schloß sich an die zweite virtuelle Konferenz eine Präsenztagung an. Zielgruppe und Technik In den beiden hier kurz vorgestellten Veranstaltungen war die primäre Zielgruppe nur mit grundlegenden Kenntnissen in der Benutzung des Internet vertraut und hatte keineswegs Erfahrungen mit Newsgroups im Usenet, mit Chats oder gar Videokonferenzen vorzuweisen. Dies machte die Gestaltung der Plattform zu einer besonderen Herausforderung: sie mußte leicht bedienbar und auch für technisch unerfahrene Nutzerinnen und Nutzer selbsterklärend navigierbar und abrufbar sein. Vor allem da es sich nicht nur um relativ einfache Vorgänge des Lesens und ggf. Ausdruckens handelte, sondern ganz im Gegenteil die Beteiligten aktiv in die Diskussionen einsteigen und mitmachen sollten. Das bedeutete, daß die technische Bedienbarkeit, die Gestaltung der Oberfläche wie auch Navigation und Struktur der Plattform auf keinen Fall eine technische Hemmschwelle sein durften! Um jegliche Medienbrüche zu vermeiden wurde daher alle Anwendungen auf Basis des WWW realisiert: neben den Webseiten kamen Webforen und ein Webchat zum Einsatz. Gleichzeitig war es jedoch auch ein explizites Ziel dieser beiden Veranstaltungen, Teilnehmenden, die bisher nur Surferfahrungen hatten, die Gelegenheit zu geben, sich aktiv an einer online Diskussion zu beteiligen und so ihre eigenen Erfahrungen mit dem Internet zu erweitern. Gleichzeitig sollten sie die Gelegenheit haben, das Potential einer solcher Veranstaltungsform für ihre eigene Organisation zu testen. Anmeldung und Teilnahmegebühr Zu beiden Veranstaltungen wurde zwar eine Online-Anmeldung eingerichtet, jedoch war sie nur bei der zweiten Konferenz mit dem paßwortgeschützten Zugang zu den Foren verbunden. Die Idee dahinter war, daß einerseits die mit einem kleinen finanziellen Aufwand verbundene Teilnahme verbindlicher ist als eine kostenlose. Damit sollte zudem die Verwaltung einer großen, nicht-interessierten Teilnehmerzahl vermieden werden. Die geschlossene Teilnahme über den paßwortgeschützten Zugang zu den Foren sollte zudem die Entstehung einer geschlossenen, interaktiven Gruppe ermöglichen und eventuell die Teilnahme fördern. Aus Sicht der Veranstalter gehörten die Untersuchung der Auswirkung der veränderten Teilnahmebedingung wie auch der Finanzierungsaspekt der doch erheblichen Gesamtkosten zum Ziel. Einleitungsreferate In beiden virtuellen Konferenzen wurden die Diskussionen durch Einleitungsreferate eröffnet und in mehreren Foren mit verschiedenen Themenschwerpunkten geführt. Die Referate waren in verschiedenen Formaten vorab abrufbar und wurden inhaltlich von den ModeratorInnen der Foren aufgegriffen, um die Diskussion zu eröffnen. Leider standen die VerfasserInnen der Einleitungsbeiträge nicht in allen Fällen zur späteren Diskussion zur Verfügung. Dies wurde als eindeutiges Manko in der Diskussion wahrgenommen. Erst die Diskussion mit den Expertinnen und Experten lies den eingangs gelesenen Text für viele lebendig werden. So war auch zu beobachten, daß im Verlauf der Diskussionen nur bedingt auf die Texte Bezug genommen wurde und meist die ModeratorInnen den Bezug herstellen mußten. Kurzprofile Eine Neuerung der zweiten Konferenz war die Eingabe von Kurzprofilen. Hier konnten sich die Teilnehmenden durch Eingabe von Texten in ein online Formular selbst vorstellen. Die Eingabe war nur optional und wurde nicht eingefordert. Allerdings riefen die ModeratorInnen in einer Email an alle Teilnehmenden des jeweiligen Forums allgemein dazu auf. Einige Teilnehmende nutzten diese Option schon vor Beginn der offiziellen Diskussion in den Foren, andere ergänzten ihr Profil erst später. Doch stand die Eingabe des Profils nicht unbedingt im Zusammenhang mit einer aktiven Beteiligung in den Foren. Viele Teilnehmende schrieben Beiträge ohne sich vorgestellt zu haben, andere hatten nur ihr Kurzprofil eingetragen und diskutierten nicht mit. Die Kurzprofile halfen den Teilnehmenden, den ModeratorInnen und dem Veranstaltungsteam Beiträge inhaltlich einzuordnen und einen besseren Kontext zu den AutorInnen herzustellen. Alle ReferentInnen, ModeratorInnen und Mitglieder des Veranstaltungsteams wurden mit Bild und Kurzprofil auf je einer Extraseite vorgestellt, welche über eine nach Namen sortierte Personenliste sowie über die Webseiten der Foren aufrufbar waren. Diskussion in den Foren Während Chats bei Online-Providern wie AOL und Foren begleitend zu Fernseh-sendungen oder Zeitschriften wenn auch nicht immer niveauvoll so doch gut besucht sind, zeichnen sich Diskussionen in der politischen Bildung und zu ähnlichen Themen nicht durch überquellende Foren aus. Wie oben schon aufgeführt ist es ein zentrales Problem, Teilnehmende zum Lesen und viel mehr noch zum Schreiben zu bewegen und gleichzeitig die Diskussionen in den Foren übersichtlich zu gestalten, so daß SpäteinsteigerInnen und Teilnehmende, die eine Lesepause eingelegt hatten, noch bzw. wieder einsteigen konnten. Neben der optischen Wiedergabe des Diskussionsverlaufes anhand eingerückter Kommentare zu den Beiträge, konnten Bezüge über den Namen der Verfasserin oder des Verfassers und das Eingabedatum hergestellt werden. Es stellte sich jedoch heraus, daß dies nicht ausreichte, die Diskussion übersichtlich zu gestalten. Zunehmend wurde die Notwendigkeit deutlich, regelmäßige Zusammenfassungen zum Diskussionsstand zu verfassen und die Beiträge nach verschiedenen Kriterien (Datum, AutorIn, usw.) sortieren zu können sowie Diskussionsstränge (Thread) öffnen und schließen zu können. In beiden Konferenzen haben sich viele Teilnehmenden aufgrund der Vielzahl der Beiträge an einem gewissen Punkt auf das passive Lesen und Verfolgen der Diskussion zurückgezogen. Erstaunlich ist dies um so mehr, als daß sie sich häufig mit einem Kurzprofil vorgestellt, und so zumindest eine gewisse Aktivität und den Willen zu weiterer Teilnahme signalisiert hatten, aber anschließend 'passiv' blieben. Doch ist dieser Begriff 'passiv' mit Vorsicht zu genießen. Während in realen Tagungen die Aufmerksamkeit derjenigen, die eine Diskussion zwischen wenigen verfolgen zumindest noch am Gesichtsausdruck, Körperhaltung und teilweise auch am Verbleib im Raum abzulesen ist, ist die Teilnahme an einer virtuellen Sitzung in Form eines Mitlesens nur über Logfiles nachzuvollziehen. Doch sagt dies noch nichts darüber aus, wie intensiv jemand einen Beitrag auch gelesen und verarbeitet hat (was durch das Beobachten einer mithörenden Person im Raum ja auch nicht mit Sicherheit ablesbar ist). VeranstalterInnen virtueller Konferenzen und auch Virtueller Seminare und Diskussionsgruppen in Lern- und Lehrzusammenhängen tendieren häufig dazu, nur die aktive Teilnahme als Erfolgskriterium heranzuziehen. Hier muß festgehalten werden, daß viele Teilnehmenden der zweiten virtuellen Konferenz bei der Präsenztagung betonten, daß alleine das Mitlesen und spätere Nachlesen für sie schon eine befriedigende Teilnahme an der virtuellen Veranstaltung war. Die Gefahr liegt dabei nur darin, daß bei mangelnder Teilnehmeraktivierung und -beteiligung keine kritische Masse an Beiträgen entsteht und damit keine ausreichende Interaktion zustande kommt [Markus, 1987; Friedrich/Hesse/Ferber/Heins, 1999]. Als sinnvoll erwies sich in jedem Fall die Einrichtung eines Testforums wie auch eines Metaforums, in denen die Teilnehmenden das Eingeben von Beiträgen üben bzw. über die Konferenzform an sich diskutieren und den Veranstaltern zum Ablauf und Design Feedback geben und dabei auch ihre Meinung mit anderen Teilnehmenden teilen konnten. Während in der ersten Konferenz die Metadiskussionen häufig noch die inhaltlichen Debatten in den eigentlichen Foren gestört bzw. sogar verhindert hatten, fanden sie hier ihren Platz und konnten zwischen allen Beteiligten forenunabhängig geführt werden. Über die Foren hinweg unterschied sich die Teilnahme in beiden Konferenzen erheblich, was sich auf unterschiedliche Themenschwerpunkte und Moderationsstile zurückführen läßt, wobei das Thema der ausschlaggebende Faktor zu sein scheint. Die aktive Beteiligung der ReferentInnen wurde zwar immer gewünscht und auch eingefordert, stand aber scheinbar nicht in einem direktem Verhältnis zur Beteiligung. Wenn die Migration zwischen den Foren offen war, wurde dies in begrenztem Umfang genutzt. In der zweiten Konferenz wurde von den Beteiligten ausdrücklich die leichtere und schnellere Navigation zwischen den Foren eingefordert. Nachdem diese verbessert wurde und das Springen zwischen den 4 inhaltlichen sowie den beiden Extraforen leichter war, äußerten allerdings einige Teilnehmenden, daß es schwierig sei, so vielen Diskussionen und Themen parallel zu folgen. Während virtuelle Konferenzen im Vergleich zu realen Tagungen gerade den Vorteil haben, die parallele Teilnahme an verschiedenen Arbeits- oder Diskussionsgruppen zu ermöglichen, scheitert dieser Vorteil wiederum an der begrenzten Zeit und Aufnahmekapazität der Teilnehmenden. Hier scheint doch wieder eine Konzentration auf Wesentliches und eine Entscheidung für ein oder zwei Foren notwendig zu sein. Moderation und Kommunikationsregeln Schon in der ersten virtuellen Konferenz www.bildung2001.de wurde jedes der beiden Foren von je einer Person moderiert, was bedeutete, daß die Teilnehmenden von den Moderatoren in Emails über den aktuellen Status der Konferenz informiert wurden und sich bei Fragen an ihn wenden konnten. In den Diskussionsverlauf griffen die beiden Moderatoren nur recht wenig ein: sie eröffneten die Diskussionen und faßten hin und wieder den aktuellen Diskussionsstand in einem Beitrag zusammen. In der zweiten virtuellen Konferenz, www.edupolis.de, beschlossen die VeranstalterInnen aufgrund dieser und anderer Erfahrungen eine weitaus intensivere Moderation einzusetzen. Das bedeutete einerseits, die Teilnehmenden noch häufiger per Email auf den aktuellen Diskussionstand hinzuweisen und zur Diskussion einzuladen und gleichzeitig in den Foren selbst häufiger moderierend mit provokanten, einleitenden, weiterführenden oder zusammenfassenden Statements aufzutreten. Die ModeratorInnen waren explizit aufgefordert für die Einhaltung der auf Webseiten veröffentlichten Spielregeln zu sorgen und Teilnehmende beispielsweise aufzufordern, zu lange Beiträge zu kürzen, Beiträge in einem thematisch passenden Forum unterzubringen - dies kann auch das Metaforum sein - und keine Werbung, Angriffe anderer Teilnehmender oder vulgäre Sprache zuzulassen. Moderationsaufgaben im letzteren Sinne mußten die Moderatorinnen fast gar nicht wahrnehmen, doch forderten sie mehrmals Teilnehmende auf, interessante Beiträge auch in ein anderes Forum oder ins Metaforum zu stellen. Aufgrund dieser positiven Erfahrungen mit einer aktiveren Moderation und dem Wunsch der Teilnehmenden, mehr Überblick über den aktuellen Diskussionstand zu haben, wird eine noch intensivere und bessere Moderation in Zukunft angestrebt, was auch bedeutet, daß der oder die ModeratorIn noch stärker die Rolle eines Animators und Motivators übernimmt, d.h. Teilnehmerbeiträge inhaltlich verknüpft, auf Beziehungen hinweist, Fragen stellt, zur Teilnahme auffordert, usw.. Die positive Auswirkung einer solchen Moderation auf die Aktivität der Teilnehmenden wurde auch in einer empirischen Studie bestätigt [Friedrich/Hesse/Ferber/Heins, 1999]. Meinungsbretter Eine weitere Besonderheit gegenüber der ersten Konferenz war die Einrichtung von sogenannten Meinungsbrettern, die über online Formulare die Freitexteingabe zu vorgegebenen Fragen ermöglichten und so eine Art Umfrage oder "Blitzlicht" boten. Die Meinungsbretter wurden in einem Forum rege genutzt und waren eine sinnvolle Ergänzung, da sie neben den Diskussionssträngen zur Befragung der Teilnehmenden verwendet werden konnten ohne den Diskussionslauf zu stören und ohne zu sofortigen Reaktionen und Kommentaren zu führen. Daher standen sie optisch getrennt. Sie aktivierten auch Teilnehmende, die sich bisher nicht geäußert hatten. Wichtig ist die zeitlich passende Anwendung der Meinungsbrettern: sie dürfen weder den Diskussionsverlauf abschöpfen, noch zum falschen Zeitpunkt untergehen. Daher bietet sich ihr Einsatz in der Mitte der Diskussion an, um für neuen Schwung zu sorgen oder zu einem Thema eine abschließende Meinungsumfrage zu machen. Eine virtuelle Konferenz zu Ende führen Im Gegensatz zu einem online Seminar, in dem der Stoff oder alle Sitzungen bearbeitet sind oder einer virtuellen kooperativen Arbeitsform, in dem beispielsweise ein Projekt beendet ist, hat eine virtuelle Konferenz vor allem ein zeitliches Ende, was einigen künstlich erscheinen mag, da die Diskussionen je eigentlich online weiter geführt werden könnten. Es besteht auf den ersten Blick kein offensichtlicher Grund die Foren zu schließen, da die Teilnehmenden weiter schreiben und lesen könnten. Trotzdem wird häufig übersehen, daß einerseits die (bezahlte) Moderation wesentliche Aufgaben übernimmt und andererseits die zeitliche Befristung auch Vorteile mit sich bringt. So kann gerade durch die vorübergehende Option der Teilnahme eine wesentliche Motivation erzeugt werden, sich in diesem Zeitraum einzubringen und sich mit dem Konferenzgeschehen zu befassen, heißt: ihm Aufmerksamkeit zu widmen. Trotzdem ist es schwierig für eine virtuelle Konferenz ein passendes Ende zu finden. Hört die Diskussion in den Foren einfach auf? Wird sie zusammengefaßt? Wird auf ein Ergebnis hingearbeitet? Während kooperative Lern- und Arbeitssituationen sich häufig durch eine höhere Verbindlichkeit der Teilnahme auszeichnen, können in virtuellen Konferenzen die Teilnehmenden nicht zur Erarbeitung eines Ergebnisses gedrängt werden, da Konferenzen alleine vom Namen her eine geringere aktive Beteiligung und Verbindlichkeit signalisieren. Daher sollten virtuelle Veranstaltungen, die auf die Erarbeitung eines Ergebnisses abzielen, besser eine andere Bezeichnung tragen wie bspw. Workshop oder Arbeitsgruppe. Die beiden hier vorgestellten Veranstaltungen unterschieden sich insofern, als daß sich an die zweite virtuelle Konferenz eine Präsenztagung anschloß, auf der sich 4 Wochen nach Ende der online Phase viele Teilnehmende wieder trafen und wo die Diskussionen der Foren in entsprechenden Kleingruppen aufgegriffen und zusammengefaßt sowie im Plenum reflektiert wurden. Gleichzeitig hatten die ModeratorInnen die Aufgaben, den Diskussionsverlauf zusammenzufassen und eine Übertragung der Ergebnisse in die Präsenztagung sicherzustellen. Somit besaß die zweite virtuelle Konferenz ein offizielleres Ende als die erste, bei der die Foren auf Bitte einiger Teilnehmender zwei Tage nach dem geplanten Ende geschlossen wurden. In beiden Fällen konnten die bestehenden Beiträge zwar noch gelesen aber keine neue mehr eingegeben werden. Eine schwierige Entscheidung war zudem die Diskussionen in der paßwortgeschützten Foren der zweiten Konferenz nachträglich zu öffnen und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dies wurde erst nach einer Umfrage unter allen Beteiligten vorgenommen, um deren Interessen und Vertrauen zu wahren. Die vorher paßwortgeschützten Einleitungsreferate waren schon früher aufgrund des sehr starken öffentlichen Interesses freigegeben worden.
Ausblick: Was kann verbessert werden und wie geht es weiter? Natürlich entsprangen auch aus der zweiten Konferenz neue Ideen und Verbesserungsvorschläge, die hier kurz skizziert werden sollen. Zudem ist die Autorin an zwei Entwicklungsprojekten beteiligt, in denen zwei weitere virtuelle Konferenzen für 2001 vorbereitet werden und ein Softwaretool entwickelt wird. Einige geplante Änderungen wurden schon im Verlauf des Textes genannt: neben noch kürzeren und prägnanteren Einleitungstexten sollte versucht werden, die ReferentInnen in die anschließenden Diskussionen zumindest punktuell einzubinden oder für Rückfragen zu kontaktieren. Die aktivere Moderation wurde schon erwähnt. Eine weitere Neuerung wird die datenbankgestützte Verwaltung der Teilnehmenden sein, wodurch diese ihre Kurzprofile jederzeit selbst editieren können und die Beiträge in den Foren direkt mit den Kurzprofilen oder sogenannten Signaturen verknüpft werden können. Dies entlastet vor allem die technische Unterstützung während der virtuellen Konferenz und ermöglicht den Teilnehmenden mehr Einfluß. Zudem sollten die Beiträge offline lesbar nach verschiedenen Kriterien sortierbar sein. Das erfolgt durch den Einsatz einer geeigneten Software für online Foren. Neben diesen eher technischen Neuerung besteht eine Option, eine stärker an Arbeitsgruppen orientierten Veranstaltung durchzuführen, in denen in kleinen Gruppen innerhalb eines vorgegeben Zeitraums an einem Thema ergebnisorientiert gearbeitet wird. Dabei müssen sich die Teilnehmenden auf das Thema, ihre Arbeitsform und die Form des Ergebnisses einigen können. Diese Art Veranstaltung bewegt sich in Richtung computerunterstütztes kooperatives Lernen (CSCL) und Arbeiten (CSCW) und verlangt ein hohes Maß an Selbstorganisation und Motivation. Sie kann nur funktionieren, wenn die Teilnehmenden ein gemeinsames Ziel vor Augen haben und sich auf eine gemeinsame Arbeitsweise einigen können. Daraus läßt sich ableiten, daß diese Veranstaltungsform zunehmend geeignete Tools und Unterstützung für koordinierende und organisierende Tätigkeiten benötigen wird und damit in den Bereich der Werkzeuge zur Unterstützung von Gruppenprozessen (sogenannte Groupware) vordringt. Neben Kommunikationstools wie Email, Foren, Videokonferenzen und Chat kommen hier auch Dokumentenmanagementsysteme (DMS) und Tools zur Unterstützung von Terminplanungen usw. zum Einsatz. In diesem Bereich stehen eine Reihe von Produkten auf dem Markt zur Verfügung, die entsprechend ihren Funktionalitäten nach Bedarf herangezogen werden können. In solchen kooperativen Prozessen in der Erwachsenenbildung und der politischen Debatte, die eher den Charakter von Konferenzen denn den von Weiterbildungs-veranstaltungen oder Projektarbeiten haben sollen, eignen sich auch Prozesse der Selbstorganisation und Einflußnahme schon bei der Bestimmung der Themen selbst. Daher wurde die Entwicklung eines Tools in Angriff genommen, das die Bildung von Diskussionsgruppen und Themenschwerpunkten unterstützt und sich an die Open Space Methode für die Gestaltung von Sitzungen und Tagungen anlehnt. Die Teilnehmenden können selbst Themen vorschlagen und sich bei Themen eintragen. Je nach Verteilung der Teilnehmenden auf Themen werden verschiedene Foren angelegt und von den jeweils Verantwortlichen moderiert. Die Beteiligten können selbst bestimmen, wie sie ihre virtuellen "Arbeitsräume" gestalten und nach Belieben einen Chat, ein weiteres Diskussionsboard oder eine Dokumentenablage einrichten. Dieses Tool wird ab 2001 verfügbar sein und in einer Planungskonferenz eingesetzt. Eine weitere Anforderung an politische Kommunikationsprozesse im Netz ist die Unterstützung von Abstimmungen. Leider - oder besser zum Glück - gestalten sich nicht alle Abstimmungen so leicht, daß sie durch eine einfach Ja - Nein Antwort entschieden werden. In Kooperation mit der Heinrich Böll Stiftung wird daher zur Zeit ein Abstimmungstool entwickelt, das neben dem Einbringen von Textvorschlägen auch eine mehrstufige online Abstimmung über alternative Vorschläge unterstützt und dabei die Entwicklung eines gemeinsamen Textes zwischen Personen ermöglicht. Im Gegensatz zu Tools wie Whiteboard oder HyperSkript, die das synchrone und asynchrone Erstellen von Dokumenten zwischen mehreren Personen unterstützen, geht es hier um die Entwicklung eines gemeinsamen Textes zwischen ggf. über hundert Personen, bei der Regeln für die Eingabe neuer Vorschläge und die Abstimmungsprozesse angewandt werden, um eine Einigung zu ermöglichen. Diese Anwendung wird im Herbst 2001 in einer virtuellen Konferenz eingesetzt.
Literatur Bremer, Claudia (1999): Bremer, Claudia (1999): Döring, Nicole (1997) Friedrich, Helmut / Hesse, Friedrich W. / Ferber, Sabine / Heins, Jochen (1999): Hesse, Friedrich, W. / Garsoffky, Bärbel / Hron, Aemilian (1997) Hesse, Friedrich / Giovis, Christos (1997) Markus, M. L. (1987) |